Gänseblümchen, Gundermann und Giersch
Bei den Wildkräutern unterwegs mit Kräuterfrau Bernadette
[06-2023] Mitte März ist es im Allgäu fast noch winterlich. An einem der ersten Tage, an denen der Frühling sein blaues Band wieder durch die Lüfte flattern lässt, sind die beiden Rapunzel Mitarbeiterinnen Miriam und Bernadette in der Natur unterwegs: Bernadette ist Kräuterfrau und zeigt Miriam, dass die Natur das gesamte Jahr über ein Füllhorn an Wildkräutern für uns bereithält.
Los ...
... geht die Kräuterwanderung am neu gebauten Besucherzentrum von Rapunzel Naturkost, der Rapunzel Welt in Legau/Unterallgäu. Auf dem Sonnenhügel, der zur Dachterrasse mit Alpenblick führt, bildet Löwenzahn erste zarte Rosetten aus und die Brennnessel schiebt sich empor. Und auch im Bauerngarten tut sich was: Dort lugen Spitzwegerich und Scharbockskraut vorsichtig aus dem Erdreich hervor.
Hier im Allgäu müssen die beiden Frauen an diesem Tag zugegeben eine Weile gehen, um fort von den frisch gedüngten Wiesen zu kommen. Aber Bernadette hat ein Gespür für die kostbaren grünen Triebe: Unter Büschen und Sträuchern, am Wegesrand oder auf abgelegenen Pfaden offenbaren sie sich ihr alle.
Liebe zu Natur und Kräutern
Bernadette hat schon früh ihre Liebe zur Natur und den Kräutern entdeckt. Durch eigene Beobachtungen und Kräuterwanderungen, aber auch dank dreijähriger Ausbildung zur Anwendung von Heilpflanzen hat sie sich ihr Wissen angeeignet.
„Ich war schon immer fasziniert von essbaren Kräutern, deren Verwendung in der Küche und vor allem dem medizinischen Nutzen. Ich sehe sie als Geschenk der großen Erdenmutter. Denn sie wachsen direkt vor unserer Haustür und stehen uns in großer Vielfalt kostenlos zur Verfügung“, freut sich Bernadette.
„Wir brauchen nicht zwingend Südfrüchte. Wir haben nur verlernt, mit dem zu arbeiten, was direkt vor unseren Füßen liegt. Die Blüten und Blätter des Gänseblümchens etwa können es durchaus mit dem Vitamin-C-Gehalt einer Zitrone aufnehmen.“
Aber Obacht! - Das gilt's zu beachten
Lektion Nummer eins lernt Miriam, als sie ein harmlos aussehendes Gundermann-Blättchen kosten möchte – „Achtung, Schneckenspur“, warnt Bernadette. Und auch vom gedüngten Boden müssen die beiden sich fernhalten, denn sonst drohen Keime. Ebenso tabu sind Stellen, an denen Tiere gut hinkommen oder Verkehr vorbeiführt. Besser, man füllt sich die Salatschüssel auf Waldlichtungen, am Rand von Wegen oder Parks oder im eigenen Garten.
Wichtig ist die richtige Einstellung. „Geh mit Zeit, Ruhe und Achtsamkeit in die Natur“, rät die Kräuterführerin, „dann merkst du schon, wo du etwas entnehmen kannst. Hab Achtung vor ihr und vor den Tieren – geh zum Beispiel nicht abends in den Wald, um den Tieren ihren Rückzug zu lassen. Nimm nicht das letzte Pflänzchen seiner Art – damit es sich weiter vermehren kann – und nur so viel, wie du für dich brauchst.“
So lassen sich Wildkräuter sicher einordnen
Manche Wildkräuter begleiten uns das ganze Jahr und können auch ganzjährig in der Küche verwendet werden. Andere stehen uns nur für kurze Zeit zur Verfügung und verschwinden dann wieder vom Speiseplan, wie zum Beispiel Bärlauch. Wieder andere verändern ihre stoffliche Zusammensetzung und sind dadurch entweder weniger wirksam oder können unverträglich bis gesundheitsschädlich werden. Küchenkräuter etwa haben meist vor ihrer Blüte die höchste Dosierung an ätherischen Ölen. Wurzeln wiederum verfügen oft später im Jahr über die höchste Kraft.
Sicher einordnen lassen sich Wildkräuter vor allem anhand folgender Anzeichen: Aussehen (ein dreieckiger Stängel enttarnt z. B. den Giersch), Jahreszeit (Bärlauch wächst nicht im Herbst), Standort (Spitzwegerich mag keine stark gedüngten Wiesen, Löwenzahn hingegen
schon), aber vor allem Geruch und Geschmack sind wichtige Merkmale.
Zusätzlich muss man die gefährlichsten Pflanzen sicher erkennen und Verwechslungskandidaten ausschließen können. Mit die giftigste Pflanze im Allgäu ist der Eisenhut. Maiglöckchen und Herbstzeitlose werden im Frühjahr gerne für den schmackhaften Bärlauch gehalten. Im Zweifelsfall also lieber stehen lassen.
Im Einklang mit der Natur
Um all ihre Stoffe auszubilden, braucht eine Pflanze ihre gesamte Wachstumsphase. So ist der Löwenzahn im Frühjahr ein anderer als im Herbst. Wie auch wir Menschen, die im Verlauf des Jahres in unterschiedlicher körperlicher wie geistiger Verfassung sind. So verspüren wir etwa im Frühjahr Aufbruchsstimmung und Lebenslust.
Und genau dann schenkt uns die Natur die Pflanzen, die entgiften und anregen, zum Beispiel den Löwenzahn.
Miriam will wissen, was nach medizinischen Gesichtspunkten für Heilkräuter spricht und nicht immer für die schnelle schulmedizinische Tablette.
„Isolierte Wirkstoffe, die meist in der Schulmedizin eingesetzt werden, führen leicht zu Nebenwirkungen, weil sie nur in eine Richtung wirken“, sagt Bernadette. „Pflanzen hingegen stellen nicht nur einen isolierten Wirkstoff zur Verfügung, sondern eine ganze Wirkstoffkombination, die für unser System viel verträglicher und meist besser verfügbar
ist“, erklärt sie.
Eines wird bei der Kräuterwanderung mit Bernadette auf jeden Fall klar: Zu jeder Jahreszeit und für jedes Anliegen liegt ein Paradies an Wirkstoffen zu unseren Füßen. Wir müssen es nur erkennen.
Kräuter-Einmaleins
Essbare Wildpflanzen sind zum Beispiel Küchenkräuter (Gewürzkräuter) und Heilkräuter (Pflanzen mit Heilwirkung), aber auch Blätter und Triebe von Bäumen, Sträuchern oder Beeren.
Dosierung
Wie immer macht die Dosis das Gift. Die meisten Heilkräuter sollten in der Regel nicht länger als sechs Wochen eingenommen werden, je nach Wirkstoff sogar kürzer. Löwenzahn hingegen geht immer!
Wirken in allen Pflanzen verdauungsfördernd. So bewirken Bitterstoffe eine allgemeine Kräftigung und Tonisierung, was eine gesunde Blutbildung begünstigt.
Gut für unsere Bienen
Unsere Küchenkräuter sind im Übrigen wahre Bienenfreunde. So ein Gewürzbeet zieht die fleißigen Sammlerinnen magisch an.
Teezubereitung
In der Regel 1 TL getrocknete Heilkräuter mit 200 ml heißem Wasser übergießen und 10 Minuten ziehen lassen.
Tipps von Bernadette: Heilkräuter für die Gesundheit
Gänseblümchen
Lat. Bellis perennis, Pflanzenfamilie Korbblütler
Standort: Überall
Anwendung & Wirkung: Die frische Pflanze (Blätter, Stängel, Blüten) wirkt schleimlösend, auswurffördernd bei Husten oder als Umschlag (in Tee getränktes Tuch) wundheilend.
In der Küche: Die Blätter und Blüten für Salat, sehr hoher Vitamin-C-Gehalt. Kinder lieben
Gänseblümchen, denn die Blüten entfalten sich in warmen Suppen und strahlen uns daraus entgegen.
Löwenzahn
Lat. Taraxacum officinale, Pflanzenfamilie Korbblütler
Standort: Fette Wiesen – je gelber der Teppich im Frühjahr, umso stärker gedüngt, sprich, schön fürs Auge, jedoch im Grunde eine Monokultur.
Anwendung & Wirkung: Wurzel und Kraut getrocknet als Tee, grüne Blätter als Frischpflanzensaft oder im Salat. Vor allem durch Bitterstoffe appetitanregend, wirkt auf die
Sekretion der Verdauungsdrüsen, vor allem den Gallefluss, und ist somit förderlich für die Fettverdauung. Ideal als Frühjahrskur zur Entgiftung.
In der Küche: Junge, geschlossene Blütenknospen mit Zwiebeln dünsten und würzen. Schmeckt ähnlich wie Rosenkohl, sehr fein zu Kartoffeln.
Gundermann/Gundelrebe
Lat. Glechoma hederacea, Pflanzenfamilie Lippenblütler
Standort: Feuchte Wälder, Hecken, Wiesen
Anwendung & Wirkung: Als Tee auf das Lymphsystem und bei Erkrankungen der Atemwege, z. B. auch bei Asthma. Äußerlich für Waschungen bei Hautkrankheiten und
schlecht heilenden Wunden.
In der Küche: Junge Blätter im Salat, lieber weniger, da der Geschmack stark herb-würzig ist. Die lila Blüten in Eiswürfeln gefroren ergeben ein hübsches Bild in Getränken.
Spitzwegerich
Lat. Plantago lanceolata, Pflanzenfamilie Wegerichgewächse
Standort: Wiesen, Trockenrasen, Wege
Anwendung & Wirkung: Als Tee oder als Frischpresssaft. Schleimlösend und reizmildernd bei Erkrankungen der Atemwege (Husten). Frische, gequetschte Blätter wirken entzündungshemmend und antibakteriell bei Insektenstichen oder bei Blasen.
In der Küche: Knospen roh oder kurz angeröstet im Salat genießen.