Foodpairing – die Wissenschaft des Geschmacks
Stina Spiegelberg verrät, um was es in diesem neuen Kochtrend geht
Stina Spiegelberg
Kochen bedeutet für viele Ruhe, Sinnlichkeit und Genuss. Welche Aromen zusammenpassen, lernen wir durch Erfahrung und einen sensiblen Sinn für Zutaten.
Doch auch, wenn Geschmack lernbar ist, scheint es Kombinationen zu geben, die über den ganzen Globus hinweg einen festen Platz in den Herzen der Menschen einnehmen.
Foodpairing öffnet genau diese Tür und macht eine Wissenschaft aus den Aromen, die man unbedingt zusammen probieren sollte.
Stina Spiegelberg
Die Geschmacksrichtungen
Um Geschmack zu kombinieren, ist es hilfreich, zu verstehen, wie wir ihn wahrnehmen.
Unsere Zunge besitzt Rezeptoren der fünf Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami („herzhaft, fleischig“). Die Ausgewogenheit dieser fünf Geschmacksqualitäten sorgt dafür, dass wir eine Speise als „rund“ empfinden.
Verschiedene Texturen und Temperaturen auf einem Teller sorgen außerdem dafür, dass das Essen bis zum letzten Bissen nicht langweilig wird.
Doch der Geschmack eines Lebensmittels, seine Schärfe, Temperatur und Textur werden erst durch das Aroma vollständig. Dieses nehmen wir mit unserer Nase wahr. 80 Prozent unseres Geschmackserlebnisses werden alleine durch unsere Riechzellen wahrgenommen.
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Die Zubereitung ist so entscheidend wie die Zutaten
Im Foodpairing, also im Zusammenspiel von Geschmacksnoten zu einem Gericht, entscheidet die Harmonie der Aromen über ein geschmacklich stimmiges Ergebnis. Dabei spielen unter anderem die gewählten Ausgangszutaten und Gewürze eine Rolle.
Noch viel spannender ist allerdings zu schmecken, wie sich Aromaverbindungen durch vielseitige Zubereitungsarten wie Beizen, Fermentieren, Räuchern oder Oxidieren chemisch verändern und sich dadurch neue Foodpairings ergeben.
Der Belgier Bernard Lahousse ist Tüftler und Agraringenieur und hat es sich zur Aufgabe gemacht, wissenschaftlich zu ergründen, weshalb manche Geschmacksrichtungen zusammen gut schmecken und andere nicht. Denn trotz gegensätzlich erscheinenden Zutaten können diese gemeinsam köstlich schmecken und bei Genuss positive Assoziationen hervorrufen – zum Beispiel Blaubeeren und fermentierter Käse.
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Die Liganden
Die fünf Geschmacksrichtungen unserer Zunge werden in unseren Riechzellen durch unzählige Duftstoffe ergänzt. Unsere Lebensmittel sowie unsere Umwelt enthalten zigtausend verschiedene Duftmoleküle, in der Fachsprache Liganden genannt.
Die hohe Anzahl dieser Moleküle in beispielsweise einer Nuss erscheint auf den ersten Blick unübersichtlich. Aus chemischer Sicht hingegen lassen sich diese Duftmoleküle in kategorische Gruppen unterteilen. Diese Gruppen lassen anhand dieser Zuordnung Rückschlüsse auf ihren Geruch zu. Mit Hilfe dieser Gruppenzugehörigkeit lässt sich dann - ohne Geruchstest quasi auf dem Papier vorab – erkennen, wie ein Gewürz, das dieses Molekül enthält, duftet.
Stina Spiegelberg
Der Foodpairing Tree
Die Bandbreite der Aromen in einzelnen Lebensmitteln ist groß. So genannte Schlüsselaromen stechen als Aromaverbindung in einem Lebensmittel besonders hervor und bestimmen damit sein Geruchsbild.
Werden die Schlüsselaromen verschiedener Lebensmittel clever miteinander kombiniert, entstehen neue Geschmackskompositionen. Je verwandter diese Aromen sind, umso besser passen sie zusammen.
Dabei können äußerlich identisch erscheinende Zutaten je nach Anbau, Bodenbeschaffenheit, Lagerung und Zubereitung gänzlich unterschiedliche Aromen mit sich bringen. Die tatsächliche Zuordnung von Lebensmitteln kann daher alleine durch eigenes Verkosten geschehen.
Ein praktisches Hilfsmittel für die Versuchsküche und kreativen Köche ist der Foodpairing Tree (hier am Beispiel der Birne). Mit seiner Hilfe lassen sich Geschmacksrichtungen und Aromen nach Lebensmitteln zusammenfassen und damit Anregungen für ein kreatives Spiel mit Aromen finden.
Unter Einbeziehung von Aromen, Texturen und dem Mundgefühl können die verschiedenen Lebensmittel im Foodpairing Tree in die folgenden neun Gruppen unterteilt werden (gegen den Uhrzeigersinn): Säure, Süße, Gemüse (erdig), Öle, Kräuter, Glutamine (umami), fermentierte Lebensmittel (wie Sauerkraut, Kimchi und Joghurt), Getränke & Spirituosen, Früchte.
Probiert es aus!
Das Spiel mit Aromen und Zubereitungsarten hat seinen Reiz und begeistert auf spielerische Art. Food-Pairing lässt sich bereits mit ganz einfachen Zutaten zu Hause ausprobieren und in den Alltag integrieren. Zum Beispiel, indem einem herzhaften Gericht süße Zutaten zugefügt werden oder bekannte Gewürze mit neuen Kombinationen zu bisher nicht erahnten Geschmackerlebnissen führen.
Schokolade mit Chili kennt ihr schon? Dann probiert doch mal karamellisierte Kokoschips in der Tomatensoße oder Lavendelblüten auf einem fermentierten Cashew-Quark. Auch der Handel hat bereits spannende Lebensmittel-Kombinationen in Convenience-Produkten ausprobiert, die sich als Anregung nutzen und mit frischen Zutaten zu Hause nachkochen lassen.
Die wissenschaftliche Begründung für harmonische Geschmackserlebnisse eröffnete mir einen neuen Horizont. Seitdem ist für mich in der kreativen Küche nichts unmöglich und mein Kühlschrank zur Farbpalette der Aromen geworden. Deshalb möchte ich euch einladen, euer eigenes Foodpairing auszuprobieren und damit ein neues kleines Universum zu ergründen.
Literaturhinweise
Wer mit diesem Artikel Interesse am Thema Foodpairing gewonnen hat, dem kann ich diese Bücher empfehlen:
Flavour Pairing
Heiko Antoniewicz, Matthaes Verlag
Aroma – die Kunst des Würzens
Thomas A. Vierich, Thomas A. Vilgis; Stiftung Warentest
Der Geschmacks-Thesaurus
Niki Segnit, Piper Verlag
Kochen für Angeber
Thomas Vilgis, Stiftung Warentest